Sollte man Menschen nach dem Alter fragen?

Happy Birthday

Bildnachweis: Jonas Humbel

Ist es noch unhöflich nach dem Alter zu fragen? Zumindest in den USA ist das Geburtsdatum beim Kennenlernen und bei der Jobsuche zweitrangig. In Deutschland sieht man das offenbar anders.

Grundsätzlich ist es den Deutschen mit dem Datenschutz sehr ernst. Das merkte ich spätestens, als die ersten Freundschaftsanfragen auf Facebook kamen. Schon vor dem Datenskandal versuchte sich Martin Mustermann als Nitram Mumann zu verstecken. Dem gegenüber steht die meist sehr direkt formulierte Leidenschaft für Fakten. Bittet man Martin also sich vorzustellen, kommen persönliche Daten wie selbstverständlich: „Ich heiße Martin Mustermann, bin 35 und komme aus Hamburg.“

Als Amerikanerin wundert es mich immer, wie weit vorne das Alter in diesem verbalen Datenpaket steht. Es ist als würde ein Fußballer seine Sammelkarte vorlesen: „Thomas Müller, 33, Bayern München, 121 Länderspiele.“ Das sind tolle Informationen für Statistikfans, aber sind das nützliche Informationen, um Thomas Müller kennenzulernen?

Das erinnert mich oft an „Der kleine Prinz“. Da erzählt der Autor: „Die großen Leute lieben nämlich Zahlen. […] Sie wollen […] wissen: „Wie alt ist er? Wie viele Brüder hat er? Wieviel wiegt er? Wieviel verdient sein Vater?‘ Erst dann werden sie glauben, ihn zu kennen.“

Ich weiß die Direktheit der Deutschen jedoch mittlerweile zu schätzen. Bei vielen Dingen spart man Zeit und Missverständnisse, wenn man schnell auf den Punkt kommt. Trotzdem verstehe ich nicht, warum man das Alter hier so interessant findet. Ich kenne Menschen, die sich mit Mitte dreißig noch benehmen wie Studierende (oder es noch sind) und Mittzwanziger*innen, die scheinbar keine Zeit für jugendlichen Leichtsinn hatten.

Der Informationsgewinn durch eine Altersangabe ist daher minimal; vor allem, wenn man den Menschen vor sich sieht. Im schlechtesten Fall geht die Schublade mit den entsprechenden Vorurteilen auf: „das kannst du noch nicht wissen“ oder „das kommt mit der Erfahrung“ auf der einen und „wann heiratest du?“ oder „hast du schon über Kinder nachgedacht?“ auf der anderen Seite.

In den USA sieht man diese Vorurteile vor allem in der Berufswelt als Problem. Wenn man sich hier bewirbt, verzichtet man im Lebenslauf auf Foto, Altersangabe, Nationalität, Familienstand und Religion. Die Einladung zum Vorstellungsgespräch soll nur aufgrund von Qualifikation und Berufserfahrung erfolgen. Ob das immer klappt, sei mal dahingestellt, aber immerhin hat man dort erkannt, dass Menschen diese Angaben nicht ohne Vorurteile aufnehmen.

Obwohl Deutsche sehr direkt sind, gibt es auch hier Fragen, die man nicht ohne weiteres stellt. Die Fragen danach, was in der Wahlkabine oder am Zahltag passiert gehören dazu. Ich finde das sinnvoll und würde die Frage nach dem Alter in die gleiche Kategorie stellen. Wenn man jemanden kennt, wird es tatsächlich interessant zu wissen, was diese Person wählt, verdient oder wie alt sie ist. Aber diese Informationen sollten nicht den ersten Eindruck prägen.

Mit der Fixierung auf das Alter können Sie in anderen Ländern durchaus ins Fettnäpfchen treten. Wenn Sie auf englische Muttersprachler*innen treffen, machen Sie sich darauf gefasst, dass die Reaktion vor allem bei Frauen zwischen beleidigt und verwirrt fällt. Wer seine Neugier gar nicht beherrschen kann sollte sich auch die Gegenfrage „Was glauben Sie?“ vorbereiten. Man(n) glaubt vielleicht, dass hier eine möglichst genaue Schätzung gewinnt, aber die Wahrheit ist: Sie haben schon verloren.

Meine Antwort ist meist: „Alt genug.“ Wenn dieser Wink mit dem Zaunpfahl nicht reicht, erkläre ich möglichst freundlich, dass man darüber in meiner Heimat nicht so offen redet und ich deswegen das Thema wechseln möchte.

Fragen Sie Ihre Gesprächspartner doch das nächste Mal einfach wie es ihnen geht oder nach deren Interessen. Das führt auch meist zu unterhaltsamen Gesprächen. Wussten Sie zum Beispiel, dass Thomas Müller Pferde züchtet  und ein Kinderbuch veröffentlicht hat? Selbst Fußballer lassen sich nicht nur in Zahlen fassen.

Übrigens, wenn Sie sich im englischsprachigen Ausland bewerben oder dort auf Personalsuche sind, beraten wir Sie gerne.

Kayla Hirsch

Kayla Hirsch
Translation Editor & Consultant

Kayla kommt aus dem Südosten der USA, wo sie Politikwissenschaft und Germanistik studiert hat. Sie liebt es zu reisen und hat schon in Washington, D.C., Berlin, und Nürnberg gelebt, bevor sie sich für die schöne Hansestadt Hamburg entschied. In ihrer Freizeit interessiert sie sich für Film und Literatur; bei EnglishBusiness ist sie Expertin für Übersetzungen und Lektorate. Hier schreibt sie über alles, was mit Linguistik und geschriebener Kommunikation zu tun hat.

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