So treffen Sie in Südafrika den richtigen Ton

Howzit

Bildnachweis: Harry Cunningham

Wer in Südafrika sein Gegenüber sofort nach dem Weg fragt, ist nicht direkt, sondern unfreundlich. Hier wird viel gegrüßt, gelächelt und gelacht. Bevor man auf den Punkt kommt, gibt es eine wichtige Frage, die für Deutsche nicht selbstverständlich ist.

Die Frage nach dem Befinden ist zwischen Kapstadt und Durban weitverbreitet. Je nachdem wo man sich gerade befindet, beginnt das Gespräch mit „How are you?“ (Englisch), „Hoe gaan dit?“ (Afrikaans), „Kunjani?“ (Xhosa) oder „Howzit?“ (Surfer). Dem englischsprachen Gegenüber antwortet man mit „I’m fine. How are you?“. Vergisst man es, steht man schnell mit beiden Füßen im Fettnapf.

Ich bin mit einer südafrikanischen Mutter in Hamburg aufgewachsen. Eigentlich wusste ich also wie man sich benimmt, als ich 2009 einen Job in Kapstadt annahm. Und doch stand ich in einer Mittagspause vor der Verkäuferin und sagte: „Hi, one Donut, please.“ Die Antwort war ein giftiges „I’m fine, thank you!“ Kein Donut.

Es war nicht das letzte Mal, dass ich mich belehren lassen musste. Die Reinigungskraft im Büro lies mir die knappe Begrüßung auf dem Weg zum Kaffeeautomaten nicht durchgehen. Mehr noch: Ich lernte nun auch auf Xhosa das Gespräch zu eröffnen. Das „Ndiphilile enkosi, unjani wena?“ kam mir zunächst widerwillig über die Lippen, doch ich konnte der Dame damit jeden Morgen ein Lächeln abringen. So langsam wurde mir der Sinn der Übung klar.

Als deutscher Großstadtmensch möchte man meist schnell auf den Punkt kommen. Unterhaltungen finden meist in der Freizeit und mit Freunden statt; Fremde werden im Alltag oft gemieden. So fand ich es auch merkwürdig von Wildfremden gefragt zu werden, wie es mir geht. Ich fand einerseits, dass es sie gar nichts angeht, und andererseits, dass es sie ja nicht wirklich interessiert, wie es mir geht. Doch so ist es eben gar nicht gemeint.

Willkommen, hereinspaziert!

Ich stell es mir mittlerweile so vor: Wenn man zuhause Gäste empfängt, möchte man ein guter Gastgeber sein. Man heißt den Gast willkommen, bietet vielleicht etwas zu trinken an, nimmt ihm den Mantel ab und fragt vielleicht, wie die Reise war. In Südafrika hat man diese Einstellung auch, wenn man Leute im Alltag trifft. Man heißt sie quasi in seinem Tag willkommen: den Bäcker, den Schaffner, die Kollegen im Büro, den Barkeeper; einfach alle. Es ist ein Signal der Freundlichkeit, der guten Absichten und auch des Respekts und der Empathie. Für viele Menschen ist der Alltag hart und da ist es umso wichtiger, dass die Mitmenschen es nicht noch schlimmer machen. Mein Gegenüber nicht nach dem Befinden zu fragen, ist als ob ich dem Besuch die Tür aufreiße und sage: „Du findest dich schon alleine zurecht.“

Wollen die Leute also wirklich wissen, wie es mir geht? – Es kommt darauf an. Es ist sicherlich keine Einladung dazu, sich über das Wetter, die Rückenschmerzen oder den Ehepartner auszulassen. Als Gast plündert man ja auch nicht den Kühlschrank und schläft auf der Couch ein. Es ist eher Zeit, das Gastgeschenk herauszuholen, um die Freundlichkeit zu erwidern. Alles was folgt geschieht so mit einer positiven Stimmung.

Heute freue ich mich, wenn ich in Südafrika lande, denn selbst bei der Passkontrolle werde ich erstmal gefragt, wie es mir geht (Ausnahmen bestätigen die Regel). Soziale Interaktionen haben in Südafrika den Eisbrecher schon eingebaut, denn „Awkwardness“ (unangenehmes Schweigen) mag hier keiner. Grundsätzlich kriegt man die Leute damit zum Lächeln und das sind die zehn Sekunden, die dieser Austausch dauert, allemal wert.

Fragen kostet nichts

Ab und zu frage ich Menschen auch in Hamburg, wie es ihnen denn geht. Das echte Nordlicht kann das schon mal von der Rolle werfen. Die Frage nach dem Befinden hat hier eine Schwere und Tiefe, die eine schnelle Antwort scheinbar unmöglich macht.

In einem meiner früheren Jobs habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, den Chef zu fragen, wie es ihm geht, wenn er anrief. „Hmm … ich war heute schon schwimmen … und beim Bäcker gab es Quarkbällchen … eigentlich ist heute ein guter Tag!“ Die schlechte Laune des Chefs am Telefon, von der die Kollegen oft berichteten, habe ich nie erlebt.

Wer mehr über die Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen lernen will, kann das übrigens bei einem unserer Seminare zu Interkultureller Kompetenz.

Da bleibt eigentlich nur zu fragen: Wie geht es Ihnen eigentlich?

Robert Rothe
Translation Editor and Consultant / Marketing Assistant

Robert ist in Hamburg mit deutschen und südafrikanischen Wurzeln aufgewachsen. Bei EnglishBusiness ist er Lektor für Übersetzungen ins Deutsche, aber kümmert sich auch um unser Team von externen Übersetzern und das Marketing. In seiner Freizeit ist er in Laufschuhen unterwegs und bloggt hier über die deutsche Sprache, Südafrika, Sport und das Tor zur Welt.

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