Eine Unterhaltung über Kulturdimensionen

In der internationalen Geschäftswelt begegnen wir täglich interkulturellen Situationen und das gilt ganz besonders für die Sprachindustrie. Daher überrascht es nicht, dass die erfahrene Vertriebsberaterin in der Sprachindustrie, Jessica Rathke, sich verstärkt mit diesem Thema beschäftigt. Im Zusammenhang mit ihrer Recherche von interkulturellen Situationen und Geert Hofstedes Kulturdimensionen nahm sie Kontakt zu einer Expertin auf, die jahrelange Erfahrung mit interkulturellen Trainings und einen multikulturellen Hintergrund hat: Nina Zolezzi von EnglishBusiness. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse ihrer Unterhaltung über die Kommunikation in interkulturellen Teams.

Kulturdimensionen

Bildnachweis: Debashis RC Biswas

In der internationalen Geschäftswelt begegnen wir täglich interkulturellen Situationen und das gilt ganz besonders für die Sprachindustrie. Daher überrascht es nicht, dass die erfahrene Vertriebsberaterin in der Sprachindustrie, Jessica Rathke, sich verstärkt mit diesem Thema beschäftigt. Im Zusammenhang mit ihrer Recherche von interkulturellen Situationen und Geert Hofstedes Kulturdimensionen nahm sie Kontakt zu einer Expertin auf, die jahrelange Erfahrung mit interkulturellen Trainings und einen multikulturellen Hintergrund hat: Nina Zolezzi von EnglishBusiness. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse ihrer Unterhaltung über die Kommunikation in interkulturellen Teams.

Warum sind nationale Kulturgruppen wichtig?

Als Beraterin in der Sprachindustrie hat Jessica Rathke viel von der Welt gesehen. Ihre Erfahrungen zeigen, dass es im Vertrieb und Management erhebliche regionale Unterschiede gibt.

Der amerikanische Managementstil fußt auf Individualismus und Eigenverantwortung. Führungskräfte geben ihren Teams viel Entscheidungsfreiraum und weniger Anweisungen. Doch als Jessica eine Schulung für ein chinesisches Sales-Team in Shanghai gab, waren die Erwartungen ganz anders. Eine Kollegin vor Ort erklärte, dass die Menschen mit sehr genauen Anweisungen besser arbeiten könnten. Für Jessica fing es erst an richtig zu laufen, als sie sich so stark ins Geschehen einmischte, dass es ihr wie Micromanagement vorkam. Nina berichtet andererseits, dass ihr Team aus vielen angelsächsischen Expats regelrecht allergisch auf Micromanagement reagiert.

Doch auch Landeskulturen, die geografisch nah beieinander liegen, können sich erheblich unterscheiden. Als Jessica die Einführung eines Vertriebskonzeptes in verschiedenen regionalen Märkten in Asien unterstütze, arbeitete sie mit Teams aus Japan, China, Thailand und Korea. Wegen der kulturellen Unterschiede zwischen den regionalen Märkten, dauerte eine Sitzung, die bis zum Nachmittagstee geplant war, bis in den späten Abend.

Nationale Kulturgruppen sind also ein wichtiges Konzept für alle, die international arbeiten und kommunizieren. Für eine erfolgreiche Kommunikation reicht es jedoch nicht, zu wissen, welchen Pass jemand hat.

Nationale Identität vs. Weltbürger*innen

Immer mehr Menschen identifizieren sich mit mehr als einer Nationalität. Es ist jedoch keine triviale Frage, wie sich verschiedene nationale Identitäten zu einer Persönlichkeit vermischen, und welche individuellen Vorlieben daraus entstehen.

Nina und Jessica sind beide gute Beispiele hierfür. Nina ist halb italienisch, halb portugiesisch, wurde in Mosambik geboren, wuchs in Südafrika auf and lebt seit über 25 Jahren in Deutschland.

Jessica ist in den Vereinigten Staaten geboren, aber sieht sich auch nicht als durchschnittliche Amerikanerin. Sie hat in Österreich studiert und mehr als ein Drittel Ihres Lebens in England gelebt, so dass sie sich eher als Weltbürgerin identifiziert.

In der heutigen globalen Wirtschaft sind Menschen mit mehreren Nationalitäten und multikulturellem Hintergrund allgegenwärtig. Elon Musk hat drei verschiedene Pässe, wuchs in Südafrika auf und lebt heute in den USA. Kamala Harris‘ Eltern kamen aus Jamaika und Indien in die USA. Die Liste lässt sich beliebig fortführen und es ist klar, dass die Menschen zunehmend nationale Grenzen überschreiten, um zu studieren, zusammenzuarbeiten und ihre Ziele zu erreichen.

Kulturelle Vielfalt ist in internationalen Unternehmen zur Normalität geworden und es wird immer offensichtlicher, dass die nationale Perspektive nur eine sehr limitierte Sicht auf den individuellen Menschen zulässt. In ihrer Unterhaltung waren Jessica und Nina sich einig, dass es neue Konzepte wie Taiye Selasis „multi-localism“ braucht, um Individuen zu verstehen.

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Die Kulturdimensionen

Jessica Rathke baut ihre Schulungs- und Beratungsdienstleistungen für Sprachunternehmen durch ihre Teilnahme am Intercultural Management Certification Programme von Hofstede Insights weiter aus. Das Programm basiert auf den sechs Kulturdimensionen. Diese bieten einen Rahmen, um den kulturellen Hintergrund und die Werte von Menschen besser zu verstehen, Präferenzen zu vergleichen und letzten Endes interkulturelle Missverständnisse zu vermeiden und die Kommunikation am Arbeitsplatz zu verbessern.

Es ist dabei zu beachten, dass die Kulturdimensionen nicht versuchen die Kultur einer Nation im juristischen oder geografischen Sinn abzubilden, sondern beabsichtigen, die Geschichte, Rituale und Kultur von Menschen zu analysieren. Hofstedes Kulturgruppen lassen sich leicht mit Landeskulturen verwechseln, da statistische Untersuchungen meist eine Konzentration dieser Kulturgruppen innerhalb nationaler Grenzen zeigen. Die Kulturdimensionen funktionieren jedoch genauso gut, um Präferenzen von Regionen oder Städten zu analysieren. Jessica wies darauf hin, dass es auch innerhalb der USA signifikante kulturelle Unterschiede gibt, z. B. zwischen Texas und New York.

Hofstedes Forschung zu den Kulturdimensionen ist eine Quelle des Wissens und der Inspiration für das interkulturelle Training bei EnglishBusiness, doch Nina warnte davor sich zu sehr auf nationale Kulturgruppen zu fokussieren, um die Präferenzen und Werte einer Gruppe von Menschen zu verstehen. Sprachbarrieren, Persönlichkeit oder Unternehmenskultur können ebenso für Reibung in der Kommunikation sorgen. Es ist wichtig, die Landeskultur als einen von vielen Faktoren in Betracht zu ziehen, aber laut Nina sollte man nicht damit anfangen.

Was sind Hofstedes Kulturdimensionen?

Machtdistanz (Power Distance Index): Wie sehr sind die weniger mächtigen Mitglieder einer Gesellschaft mit einer ungleichen Machtverteilung einverstanden? Hierarchische Gesellschaften haben eine hohe Machtdistanz.

Individualismus und Kollektivismus (Individualism versus Collectivism): Individualistische Gesellschaften bevorzugen lockere Regeln und viel persönliche Verantwortung. Kollektivistische Gesellschaften haben eine stärkere gemeinsame Identität und fühlen sich in höherem Maße füreinander verantwortlich.

Maskulinität und Feminität (Masculinity versus Femininity): Maskulinität steht für eine Präferenz für Erfolgsdenken, Durchsetzungsvermögen, materielle Belohnungen und Wettbewerb. Feminität steht hingegen für eine Präferenz für Kooperation, Bescheidenheit, Fürsorge und Lebensqualität.

Unsicherheitsvermeidung (Uncertainty Avoidance Index): Ein hoher Grad an Unsicherheitsvermeidung weist auf Abneigung gegen Ungewissheit und eine Präferenz für feste Regeln hin. Gesellschaften mit niedriger Unsicherheitsvermeidung gehen lockerer mit Regeln und Prinzipien um.

Lang- oder kurzfristige Ausrichtung (Long Term Orientation): Gesellschaften, die einen niedrigen Wert in dieser Dimension haben, haben ein positives Verhältnis zur eigenen Geschichte und sehen Veränderungen skeptisch. Kulturen mit hohen Werten in dieser Dimension sind pragmatischer und flexibler.

Nachgiebigkeit und Beherrschung (Indulgence versus Restraint): Gesellschaften mit einem hohen Wert bei Beherrschung geben den natürlichen menschlichen Trieben weniger nach. Nachgiebigere Gesellschaften neigen eher dazu, diese natürlichen Verlangen zu befriedigen.

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Es geht niemals nur um Sprache

EnglishBusiness hat schon vielen Unternehmen geholfen ihre Kommunikation zu verbessern. Es beginnt oft mit einem Englischkurs, doch laut Nina geht es niemals nur um Sprache.

Es macht natürlich Sinn, in internationalen Unternehmen Firmensprachkurse anzubieten. Ohne gemeinsame Sprache gibt es keine Kooperation oder Zusammenarbeit. Man braucht die Grammatikkenntnisse und das Vokabular, um sich auszudrücken, und dafür sind Sprachkurse eine direkte und verlässliche Lösung. Doch leider können auch perfekte Sprachfähigkeiten Missverständnisse am Arbeitsplatz nicht ganz vermeiden.

Wenn die Ursachen für Fehlkommunikation übers rein sprachliche hinausgehen, empfiehlt Nina den Blick auf persönliche Präferenzen zu richten. Der kostenfreie Persönlichkeitstest auf 16Personalities.com ist von Myers-Briggs inspiriert und bietet einen guten Ausgangspunkt. Man sollte die Ergebnisse eher als Präferenzen sehen und nicht als deterministische Persönlichkeitsdefinition. Es hilft einen Dialog zu starten, wenn man weiß, ob ein*e Kolleg*in zu Intuition oder Sensorik, Wahrnehmung oder Entscheidung, Introversion oder Extraversion neigt und am Ende fördert dieses Wissen eine produktivere Zusammenarbeit.

Landeskultur ist nicht immer der beste Ansatz

Wenn auf Sprach- und Persönlichkeitsebene alle Reibungen beseitigt sind, sind die Kulturdimensionen das nächste, leistungsstarke Werkzeug, um die Kommunikation zu analysieren und zu verbessern.

Nina hatte aufgrund der häufig gezogenen Verbindung zwischen Kulturdimensionen und Landeskulturen bedenken, doch Jessica argumentierte, dass diese Verbindung vor allem statistisch und nicht kausal ist. So werden die Kulturdimensionen die Mehrheit in einem Land meist gut beschreiben, während es auf individueller Ebene immer Ausreißer*innen geben wird.

Jessica und Nina sind sich jedoch einig, dass Hofstedes Kulturdimensionen ein wertvolles Tool für Berater*innen und Trainer*innen in internationalen Unternehmen sind. Es ist allerdings zu beachten, dass ein zu starker Fokus auf Landeskultur zu Vorurteilen führen und Erkenntnisse verzerren kann, wenn man kleinere Gruppen betrachtet. Beide waren der Meinung, dass Kulturdimensionen wie Individualismus und Kollektivismus bei kleineren Gruppen und engeren Kategorien mindestens genauso wichtige Erkenntnisse liefern wie auf Nationalitätsebene.

Die Arbeit von Keith Chen bietet ein gutes Beispiel, bei dem Sprache, und nicht Nationalität, der Indikator für Kulturunterschiede ist. Er betrachtete Familien innerhalb der gleichen Landesgrenzen und fand heraus, dass Menschen, die eine Sprache mit schwachem Futur sprechen, mit größerer Wahrscheinlichkeit sparen und mit geringerer Wahrscheinlichkeit rauchen.

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Wie können wir interkulturelle Kompetenz stärken?

Interkulturelle Kompetenz lässt sich nicht auf theoretischem Wege erreichen. Man braucht vielmehr immersive Erlebnisse, die einen aus der eigenen Komfortzone drängen. Im Rahmen ihres Trainings mit Hofstede Insights nahm Jessica an interkulturellen Simulationen teil, die darauf ausgelegt waren, die Werte und Gewohnheiten der Teilnehmer*innen in Frage zu stellen. Es gibt viele Wege aus der eigenen Komfortzone. Auf Geschäftsreisen legt Jessica Wert darauf, in andere Kulturen einzutauchen und selbst herauszufinden, wie ganz alltägliche Dinge funktionieren, z. B. öffentliche Verkehrsmittel in Japan.

Auch Nina befürwortet den immersiven Ansatz. Sie bietet ihren Unternehmenskund*innen eine interkulturelle Simulation, bei der zwei Gruppen unterschiedliche fiktive Sprachen und Wertesysteme lernen. Sie erkunden das Verhalten der jeweils anderen Gruppen – eine Übung mit hohem Unterhaltungswert für die Zuschauer*innen und wichtigen Erkenntnissen für die Teilnehmer*innen.

Das Ziel der immersiven Methoden ist es, die Reaktion auf fremde Kulturen von Befremdung oder Angst in Neugier zu verwandeln.

Wenn Sie mehr über interkulturelle Kompetenz erfahren möchten, kontaktieren Sie Jessica für individuelle kulturelle Assessments oder die Berater*innen von EnglishBusiness für eine interkulturelle Simulation in Ihrem Unternehmen.

Über die Teilnehmerinnen:

Jessica Rathke

Jessica Rathke ist eine Trainerin und Vertriebsberaterin für Übersetzungs- und Lokalisierungsunternehmen. Mit mehr als 29 Jahren Erfahrung im Vertrieb und in der Personalführung hilft sie Unternehmen die Kompetenz im Vertrieb zu stärken und so Umsatz und Profitabilität zu steigern. Sie hat erfolgreiche Vertriebsschulungen für hunderte Unternehmensinhaber*innen, Vertriebler*innen und Business Developer gegeben. Zudem berät Rathke Branchenführer*innen in der Sprachindustrie dabei effektive Vertriebsstrategien zu entwerfen.

Jessica hält regelmäßig Vorträge zum Thema Sales bei Konferenzen der Sprachindustrie.

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Nina Zolezzi ist CEO und Mitgründerin der EnglishBusiness AG. Als Kommunikationsberaterin hilft sie Führungskräften global zu denken und vermittelt die Softskills und Kommunikationsfähigkeiten, um im internationalen Geschäft erfolgreich zu sein. Als Keynote-Speaker wirbt sie für die Macht der Kultur und die Bedeutung von Sprache in der menschlichen Kommunikation, Kreativität und Zusammenarbeit.

Die in Mosambik geborene Südafrikanerin mit italienischen und portugiesischen Eltern ist eine qualifizierte systemische Psychologin und Expertin für interkulturelle Kompetenz. Sie spricht fließend Englisch, Deutsch und Portugiesisch.

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Robert Rothe
Translation Editor and Consultant / Marketing Assistant

Robert ist in Hamburg mit deutschen und südafrikanischen Wurzeln aufgewachsen. Bei EnglishBusiness ist er Lektor für Übersetzungen ins Deutsche, aber kümmert sich auch um unser Team von externen Übersetzern und das Marketing. In seiner Freizeit ist er in Laufschuhen unterwegs und bloggt hier über die deutsche Sprache, Südafrika, Sport und das Tor zur Welt.

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